Bildung und Erziehung von Kindern und jungen Menschen im Schwerpunkt Lernen – Grundlagen
Mindeststandards in der Frühförderung/Frühberatung, im Kindergarten, in der schulischen, beruflichen und lebenslangen Bildung
Mindeststandards in der Frühförderung/Frühberatung, im Kindergarten, in der schulischen, beruflichen und lebenslangen Bildung
Vor dem Hintergrund des in den Schulgesetzen der Länder verbrieften Rechts auf Bildung begründet die besondere Lernausgangslage von jungen Menschen im Schwerpunkt Lernen den Anspruch auf sonderpädagogische Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote, die den persönlichen Voraussetzungen und Ansprüchen sowie Interessen und Neigungen dieser jungen Menschen in besonderer Weise Rechnung tragen. Das Recht auf Bildung erschließt den jungen Menschen eine individuelle Teilhabe in allen Lebensfeldern. Es ist gerade auch für Menschen mit Beeinträchtigungen im Schwerpunkt Lernen der Schlüssel für ein gelingendes Leben.
Die dargestellten Anspruchspositionen beziehen sich nicht nur auf junge Menschen im eigentlichen Schwerpunkt Lernen, sondern auch auf junge Menschen mit einer zusätzlichen körperlichen Beeinträchtigung bzw. auf junge Menschen mit Anspruch auf sonderpädagogische Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung.
Basis hierfür sind eine ausgewiesene Expertise im Feld sonderpädagogischer Diagnostik und professionelle, pädagogische wie didaktische Kompetenzen. Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sind für diese Aufgaben besonders qualifiziert.
Sie leisten ihren Beitrag dazu, das Recht auf eine den persönlichen Voraussetzungen dieser jungen Menschen entsprechende vorschulische, schulische und berufliche Bildung, Ausbildung und Erziehung zu garantieren, weil nur so – unabhängig vom Lernort und ohne Rücksicht auf deren Herkunft und wirtschaftliche Lage – das Recht auf Bildung garantiert werden kann.
Grundlage für die Gestaltung individueller Bildungsangebote für junge Menschen mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebot sowie für die individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung ist die Diagnostik durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen. Diagnostik im Schwerpunkt Lernen umfasst eine individualisierte Beschreibung der Teilhabe und auch der Teilhabemöglichkeiten einer Person. In diesem Prozess werden Persönlichkeitsfaktoren und Umweltfaktoren beschrieben und bewertet. Die Kooperation aller mit der frühkindlichen, schulischen und beruflichen/lebenslangen Bildung beauftragten Personen, mit Eltern/Erziehungsberechtigten und anderen begleitenden Fachpersonen spielt bei dieser diagnostischen Vorgehensweise eine wesentliche Rolle.
Altersbezogene Lern- und Bildungsanforderungen im allgemeinen Bereich weichen erheblich von den besonderen Unterstützungsbedarfen für diese jungen Menschen ab. Teilweise entsteht der Eindruck, als bestünde seitens der Lernenden kein Interesse daran, sich mit den vorgegebenen Themen und Aufgabenstellungen auseinanderzusetzen. Damit wird man den jungen Menschen jedoch nicht gerecht. Im Gegenteil, diese Formen eingeschränkter Teilhabe sind eine Belastung für die jungen Menschen und ihre Familien. Mangelndes Verständnis in der Gesellschaft verstärkt diesen Prozess noch einmal erheblich.
Der Anspruch auf eine vollumfängliche Teilhabe setzt voraus, dass die Themen und Fragen der jungen Menschen würdevoll und ohne Kränkungen aufgenommen werden und zum Gegenstand von für den Einzelnen bedeutsamen Bildungsangeboten gemacht werden. Ziel aller Unterstützungsangebote muss es sein, diese jungen Menschen so zu beraten, zu begleiten und zu unterstützen, dass die von ihnen gezeigten Leistungen den allgemeinen Anforderungen entsprechen. Ist das nicht der Fall, ist es erforderlich, die Anforderungen, die für einen eigenen Bildungsgang (Bildungsgang Lernen) bzw. einen eigenen Ausbildungsgang (z.B. Fachpraktikerausbildung) stehen, in einem spezifischen Bildungsangebot zu fassen.
Die Ausgestaltung von Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten für junge Menschen im Schwerpunkt Lernen ist zwingend an das enge Zusammenwirken von Eltern/Erziehungsberechtigten und Schule gebunden. Daneben werden kommunale und regionale Partner eingebunden, um so die Interessen, Erwartungen und Aufgaben der jungen Menschen, ihrer Eltern und der Schule sowie der mit ihnen kooperierenden Partner sensibel wahrzunehmen und jeweils gleichberechtigt zum Tragen zu bringen.
Ganz besonders ernst zu nehmen sind Erwartungen und Sorgen von Erziehungsberechtigten in wesentlichen Phasen der Bildungsbiografie ihrer Kinder. Gewichtige Lernortentscheidungen oder auch zum Beispiel Transitionsprozesse und die Verselbstständigung bei nachlassender Hilfe und Unterstützung und zunehmender Verantwortungsübernahme durch die jungen Menschen bringen große Unsicherheiten mit sich. Die Belastungen und Chancen in solchen Übergängen, auch bei Entscheidungen, die zunächst probehalber getroffen werden, betreffen die jungen Menschen und deren Umfeld gleichermaßen.
Schulen und Eltern/Erziehungsberechtigte gestalten die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Dabei hat das Kindeswohl Priorität. Ferner muss die Zusicherung gegeben werden, dass die Schule ein sicherer Lebensraum ist, der über Information zu Beratungs- und Unterstützungsstellen verfügt und bedarfsbezogen auch den Kontakt zu solchen Beratungs- und Unterstützungsstellen herstellt. Die in diesem Lebensraum gelebten Regeln und Strukturen ermöglichen Teilhabe und helfen, ein realistisches Selbstbild zu vermitteln.
In den nachstehenden Fachpapieren werden Anspruchspositionen der jungen Menschen im Hinblick auf die ihnen gestellten Lern- und Lebensaufgaben beschrieben, aber auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Formen der Beratung, Begleitung und Unterstützung der Anspruchsberechtigten bzw. in den Bildungs- und Ausbildungsangeboten für die Anspruchsberechtigten. So wird z.B. klar skizziert, dass in der frühkindlichen Bildung entwicklungsverzögerter, von Behinderung bedrohter und behinderter Kinder Beziehungserfahrungen und deren Reflexion mit dem Ziel, die Ressourcen des Kindes und des Systems, in dem sich aktuell beide befinden, zu definieren und zu stärken.
Im Schulalter wird der Anspruch formuliert, dass Schule auch unter diesen besonderen Voraussetzungen die Basis für eine erfolgreiche lebenslange Bildung schafft. Die jungen Menschen sollen lernen, ihre Verantwortung, Rechte und Pflichten in Staat und Gesellschaft wahrzunehmen und die Anforderungen in den Lebensfeldern von Berufs- und Arbeitswelt, Familie, Wohnen und gesellschaftlicher Teilhabe zu bewältigen. Schule orientiert sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse der sonderpädagogischen Diagnostik an den höchst individuellen Entwicklungspotenzialen. Ziel ist es, umfänglich alle Kompetenzen zu vermitteln, die sie für eine aktive und selbstbestimmte Lebensgestaltung benötigen. Dabei achtet sie unabhängig von den individuellen Fähigkeiten die Würde jeder Schülerin und jedes Schülers.
Wiederum anders sind die Grundsätze der Beratung, Begleitung und Unterstützung und auch die Anspruchspositionen der jungen Menschen im Bildungsbereich berufliche Bildung/lebenslange Bildung. Die Bildungs- und Qualifizierungsangebote umfassen Leistungen zur Teilhabe, die für Bildung und berufliche Eingliederung erforderlich sind, damit Menschen im Schwerpunkt Lernen Bildungs- und Qualifizierungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können. Hierzu gehören auch Angebote im Bereich lebenslange Bildung. Die Leistungen zur Teilhabe an beruflicher Bildung basieren als individuelles, personenzentriertes Bildungsangebot ebenfalls auf den Ergebnissen einer sonderpädagogischen Diagnostik und daraus abgeleitet auf einer individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung (ILEB), welche auch die konzeptionelle Grundlage der Sonderpädagogik von jungen Erwachsenen im Schwerpunkt Lernen bildet.
Dem Subsidiaritätsprinzip der Sonderpädagogik folgend, haben junge Menschen, für die die Unterstützungsmöglichkeiten der allgemeinen Schule nicht ausreichen, einen Anspruch auf ambulante sonderpädagogische Dienste, die an sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen angegliedert sind. Eltern und Lehrkräfte der allgemeinen Schulen können sich an diese Dienste wenden, wenn damit die Erwartung verbunden ist, dass sich der Lernerfolg einer Schülerin oder eines Schülers auf diesem Weg sichern lässt. Diese Beratungs- und Unterstützungsleistungen richten sich gezielt an die jungen Menschen, ihre Lehrkräfte und Eltern. Je nach Erfordernis werden in einem regional abgestimmten Netzwerk der Hilfe Fachdienste anderer Unterstützungssysteme mit eingebunden. Fachpersonal aus dem Bereich der Sozial- und Jugendbehörde und der Arbeitsverwaltung tragen mit ihrer Gutachtenpraxis und auch begleitenden Maßnahmen wie Ergotherapie, Logopädie oder auch Psychotherapie zu einer ganzheitlichen Förderung bei.